Text Winston Goodfellow // Fotos Paul Harmer
KEIN SUPERCAR-HERSTELLER WAR SO WILD ENTSCHLOSSEN, MIT SEINEN FAHRZEUGEN EINDRUCK ZU SCHINDEN WIE LAMBORGHINI. DAHER AM LIEBSTEN MIT V12-MOTOR – EINE SYMPHONIE DES EXZESS
Wir alle kennen die Anekdote – oder die nie bestätigte Mär – der zufolge der Self-made-Millionär Ferruccio Lamborghini mit seinem Ferrari so viel Ärger hatte, dass er beschloss, sich sein eigenes – überlegenes – Auto selbst zu bauen. Ob das nun stimmt oder nicht, Tatsache ist, dass der Nutzfahrzeughersteller 1963 seine eigene Sportwagenmanufaktur gründete und bereits im Jahr darauf den 350 GT hergestellt hat.
Wirtschaftlich lief es nicht immer rund, trotzdem existiert die Marke seit über 50 Jahren – und allein die Latte an V12-motorisierten Lamborghini ist mehr als beachtlich. Die wichtigsten (hier: Teil 4) folgen als Serie im Porträt. Sie alle zeigen noch einmal und eindrücklich, wo der Hammer hängt – und das ist keine Mär: Lamborghini ist nach wie vor der wohl abgefahrenste Hersteller von Supercars.
TEIL 4: DER LAMBORGHINI MURCIÉLAGO –
PRODUKTIONSZEITRAUM: 2001 – 2010, STÜCKZAHL: 4099
Nie war die verstrichene Zeit in meinem ganzen Leben so aufregend – und so schnell vorbei – wie bei der Beschleunigung von null auf hundert in einem Murciélago LP670-4 SV. Ich hatte schon ein paar Versuche mit 3,4 Sekunden hinter mir, hatte aber das Gefühl, dass da noch mehr drin war. Um das hinzukriegen, muss man das Auto in den Corsa-Modus versetzen und die Traktionskontrolle ausschalten. Dann den ersten Gang einlegen und Bleifuß raus … Alle vier Räder drehen gleichzeitig, der V12 hinter einem heult auf. Damit der SV aber nicht ausbricht – launisch ist er ja – kräfig gegenlenken; eine Vierteldrehung.
Gleichzeitig mit dem Bleifuß eisern auf dem Gaspedal. Im ersten Gang mit rasenden Rädern weiter, den Blick auf den Drehzahlmesser geheftet. Kurz vor 8000 Touren mit dem Wippschalter rechts am Lenkrad hochschalten. Jetzt beginnen die Pirelli-Pneus zu greifen, man kann fast ein wenig entspannen. Also erinnert man sich kurz an eine Fahrt mit dem McLaren F1 (in 3,2 Sekunden von null auf hundert) und ist einen Moment später mit 290 km/h unterwegs. Zu dem Zeitpunkt bringt man das Auto wieder zum Stehen.
Für solch ein großes Fahrzeug bewegt sich der Murciélago erstaunlich leichtfüßig, selbst auf dem groben Asphalt der Strecke von Millbrook. Der von Bizzarini original ersonnene Motor könnte in der letzten Ausbaustufe kaum besser sein: Oberhalb von 6000 Umdrehungen fühlt es sich an, als würde er sich selbst in die Stratosphäre katapultieren. Dabei klingt der Motor wie ein Formel-1-Wagen der 80er. Das Erlebnis währt nicht lange, doch es ist zauberhaft. Unvergesslich.